Soziale Verwerfungen beim Übergang zum Postkapitalismus

 

Ob dieses neue Wirtschaftssystem zu einem wirklich qualitativ Neuen, das das Etikett „Postkapitalismus“ verdient, führen wird, ist letztlich nicht so wichtig.

Wichtiger  sind vielmehr die Fragen nach den sozialen und politischen Verwerfungen:

  • Wenn in den nächsten 30 Jahren  jeder dritte Arbeitsplatz verloren gehen könnte, dann ist mit einer rapide zunehmenden Arbeitslosigkeit zu rechnen, die durch die Migranten, die in unser Land strömen, noch verstärkt wird. Ob durch Umschulung oder Weiterbildung dieses Arbeitsmarktproblem gelöst werden kann, sei dahingestellt. Auch die Frage nach dem Basiseinkommen muss neu gestellt werden, wenngleich es gute Gründe gibt, dagegen zu sein.
  • Hinsichtlich der neu gewonnenen Freizeit bzw. erwerbslosen Zeit, die durch die Verringerung des Arbeitsaufwandes anfällt, wird man sich um neue Formen der Selbstständigkeit, kollaborative Unternehmensmodelle (z. B. Peerproduktion) sowie der Freizeitgestaltung bemühen müssen.

23 Uber

22 Airbnb

  • Wichtig ist auch den Stellenwert der Arbeit neu zu bestimmen. Heute gilt immer noch, dass wir arbeiten, um Einkommen zum Konsumieren zu erzielen, Prestige zu gewinnen – und manchmal auch, um sich selbst zu verwirklichen.
  • Der Postkapitalismus sollte auch zu einer neuen Lebensform, „life of style“, führen, die über „Nudges“ (Anstupser)  gesteuert werden könnte. Damit ist gemeint, dass man Menschen über Anreize zu einem bestimmten Verhalten bringen soll, um das Gemeinwohl zu fördern.

 

Exkurs : Nudge

Richard Thaler und Cass Sunstein haben in ihrem Buch „Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt“, 2008, eine Methode entwickelt, wie man nur mit Anreizen, aber ohne Gebote und Verbote, das Verhalten der Menschen in Richtung Gemeinwohl verändern kann. Den „Gestupsten“ steht aber jederzeit die Möglichkeit offen, dieses „Anreiz-Angebot“ nicht anzunehmen.

Ein Beispiel für ein freundliches Anstupsen ist, wenn in Urinalen das Abbild einer Fliege angebracht wird. Der Erfolg: 80 % weniger Urin auf dem Boden.

 21 Fliege im Urinal

Diese Methode der Anreize, die zuweilen als eine subtile Methode der Manipulation kritisiert wird,  ist vielseitig einsetzbar:

  1. z. B. Änderung des Essverhaltens dadurch, indem man in Kantinen Obst in Griffnähe und Süßigkeiten weiter hinten plaziert.
  2. z. B. Änderung der Steuermoral, indem man transparent vermittelt, was mit den Steuern passiert.
  3. z.B. Änderung des Konsumverhaltens mit dem Hinweis auf eine win/win-Situation für Käufer wie auch für die Produzenten beim Einkauf von Fair-Trade-Produkten.
  4. z.B. Bei der Einführung von Vorsorgeplänen, für die die man automatisch angemeldet wird, außer man ist explizit dagegen.

 

Siehe Näheres dazu „Nudge“  https://de.wikipedia.org/wiki/Nudge

 

  • Selbst in einem postkapitalistischen Wirtschaftssystem wird es immer noch traditionelle Bereiche geben, die sich bereits jetzt weitgehend einer kapitalistischen Produktionsweise, da sie vielfach von staatlichen Stellen subventioniert und zukünftig auch werden, entzogen haben: traditionelles Handwerk, Produktion und Vertrieb regionaler Nahrungsmittel, bodenständige Gastronomie, Altenpflege im Familienverband bzw. Dienstleistungsangebot auf kommunaler Basis wie Feuerwehren, Musikkapellen und Sozialleistungen auf ehrenamtlicher Basis erbracht.  Dies alles einmal  in Anspruch nehmen zu dürfen, wird einmal der wahre Lxus sein!

 

8 Tischler

3 Kuh auf der Weide

1 Altenpflege

  • Dieses Projekt, des Postkapitalismus, kann von uns allen forciert werden: durch eine Stärkung der Zivilgesellschaft, über neue basisdemokratische Bewegungen wie die 5-Sterne-Bewegungen oder die spanischen Empörten „indignados“, bis hin zur jungen Generation im Gezi-Park in Istanbul, die von Erdogans Schergen brutal vertrieben wurde. Sie sind aber alle gut vernetzt – und dies ist ihre wahre Stärke, die dadurch eine gänzlich neue Öffentlichkeit schaffen kann.

 

  • Die Linke selbst kann hierbei keine tragende Aufgabe mehr einnehmen, setzt sie doch auf den Staat und Verstaatlichung, nachdem ihr die Arbeiterklasse  verloren ging. In diesem Zusammenhang ist  es nicht nur historisch interessant, sondern auch als ein Hinweis für die Neo-Linken zu verstehen, dass selbst Karl Marx schlussendlich auf die Maschinen und nicht mehr auf die Arbeiterklasse als die entscheidende Produktivkraft setzte. So gesehen war Karl Marx auch der erste Antimarxist. Dass er aber in der Folge dieses Konzept nicht weiter verfolgte, hatte aber andere Gründe.

 

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