Altenpflege in Österreich – ein Desaster

Die Menschen in unserem Land werden zusehends fordernder. Für immer mehr Bereiche des Lebens muss der Staat Obsorge leisten.

Dies gilt auch für die Altenpflege. Wurden zur Jahrtausendwende nicht mehr als  266.000 Bezieher des Pflegegeldes gezählt, so waren es 25 Jahre später, 2025, fast doppelt so viele – und zwar exakt 502.000 Personen, wiewohl die Zahl der Über-65-Jährigen um nicht viel mehr als 40 Prozent zunahm. 

Abschnitt 1:  Altenpflege erfolgt zu Hause

Altenpflege wird vornehmlich zu Hause betrieben (88 Prozent aller Pflegegeldbezieher), sie ist durchwegs weiblich, man ist in diese eher „hinein gerutscht“ und man leidet oft darunter – psychisch wie auch somatisch (körperlich), mitunter auch finanziell.

Altenpflege durch Angehörige ist aber in Europa eher ein Auslaufmodell: fehlender Nachwuchs und die Kinder ziehen von ihren Eltern auch weg. Wenn aber die Menschen älter werden, dann brauchen sie Hilfe. Umso mehr, wenn sie an Demenz leiden.

Abschnitt 2:  Zunehmender Personalmangel in den Pflegeheimen 

Für das Jahr 2021 wurden in Österreich ungefähr 140.000 gewerbliche Pflegekräfte gezählt. Um aber den Versorgungsstand vom Jahr 2021 auch in Zukunft erhalten zu können, bedarf es bereits für das Jahr 2030 um 37 Prozent mehr Pflegekräfte. Und  im Jahr 2040 ist bereits ein Mehrbedarf von 86 Prozent (praktisch eine Verdoppelung des Personalstandes) gefordert.

Eine nachhaltige Abhilfe kann nur durch Anwerben ausländischer Pflegekräfte mittels einer noch zu errichtenden nationalen Pflegekräfte-Rekrutierungsagentur erreicht werden. Des Weiteren ist die Gründung eigener Pflegeschulen in ausgewählten osteuropäischen sowie asiatischen Ländern mit einem auf unser Land bezogenen Curriculum (Ausbildung und Lehrplan) zu fordern. Absolventen solcher Pflegeschulen erhalten dann für Österreich eine Job-Garantie.

Abschnitt 3: Demenzerkrankungen in unserem Land

Die genaue Anzahl der an Demenz Erkrankten (vaskuläre sowie Alzheimer Demenz) ist aber nicht an einer statistischen Ziffer festzumachen.

Eine Demenzerkrankung wird meistens erst durch ein fachärztliches Gutachten bei der Einstufung des Pflegegeldes schlagend. 2022 wurden ungefähr 20 Prozent der Pflegegeldbezieher als dement eingestuft. In absoluten Zahlen ausgedrückt: in etwa 103.000 Personen.

Der Anteil der an Demenz Erkrankten wächst von Pflegestufe zu Pflegestufe. Von acht Prozent in der Pflegestufe 2 auf 30 und 49 Prozent in den beiden Pflegestufen 4 und 5, um mit jeweils 65 Prozent in den beiden höchsten Pflegestufen 6 und 7 seinen Kulminationspunkt zu erreichen.   

Abschnitt 4: Kosten der Altenpflege in Pflegeheimen und zu Hause

Der Rechnungshof Österreich hat bereits 2016 die Gesamtkosten für die Pflege berechnet bzw. geschätzt. Es wurden nämlich auch die von den Angehörigen erbrachten Pflegeleistungen in Geldwerte umgerechnet.

Die für das Jahr 2016 ausgewiesenen Beträge wurden an die Inflation angepasst. Die daraufhin durchgeführten Berechnungen ergaben, dass 2025 die Kosten für die Altenpflege in unserem Land bei ungefähr elf Milliarden Euro lagen. Hierbei konnten natürlich weitere Zuschüsse des Bundes, vor allem in den Jahren 2023 und 2024, nicht berücksichtigt werden.

Fast die Hälfte dieser Mittel (4,7 Milliarden Euro) floss in die Pflegeheime sowie fast eben so viel in die Angehörigenpflege (4,3 Milliarden Euro) – und zwar die Pflegeleistungen der Angehörigen in Geldwerten ausgedrückt sowie Eigenbeiträge. Der Rest verteilte sich auf die mobilen Dienste  (ungefähr eine Milliarde Euro) sowie auf die 24-Stunden-Pflege (in etwa 800 Millionen Euro).

Ein direkter Vergleich der Kosten der öffentlichen Hand für die  beiden Pflegeformen – Pflegeheime versus Angehörigenpflege –  bietet aber ein gänzlich anderes Bild: So werden derzeit – im Jahr 2025 – die monatlichen Kosten für den Aufenthalt eines Pflegebedürftigen der Pflegestufe 5 in einem Wiener Pflegeheim mit ungefähr € 10.500,– beziffert. Das monatliche Pflegegeld der Pflegestufe 5 liegt hingegen bei genau € 1.175,20,–.

Für einen Pflegefall, der zu Haus gepflegt und betreut wird, muss die öffentliche Hand nicht viel mehr als ein Zehntel der Kosten für ein Pflegeheim berappen.

Abschnitt 5: Rückkehr zum Pflegeregress

Die steigenden Pflegekosten lassen aber eine Rückkehr zum Pflegeregress, der mit Ende 2017 abgeschafft wurde, befürchten. Bis dahin musste ein Pflegebedürftiger bei seiner Aufnahme in ein Pflegeheim nicht nur 80 Prozent seiner laufenden monatlichen Einnahmen (ohne die Sonderzahlungen) und des Pflegegeldes als Kostenbeitrag leisten, sondern es wurde zudem sein gesamtes Vermögen – Immobilien, Sparguthaben usw. – hierfür herangezogen.

Als Ersatz für den Wegfall des Pflegeregresses überweist nunmehr der Bund jährlich ungefähr 300 Millionen Euro an die Bundesländer. Da  derzeit die Zeichen auf Sparen stehen, könnten aber diese Zuschüsse gestrichen und der Pflegeregress wieder eingeführt werden.

Die beiden Sonderzahlungen zu den Löhnen, Gehältern und Pensionen könnten zukünftig ebenso mit einer 80-Prozent-Regelung für die Berechnung des Kostenbeitrages für einen Aufenthalt in einem Pflegeheim bedacht werden.

Abschnitt 6: Placebo- wie auch Noceboeffekte in der Altenpflege

Die beiden Ausdrücke „Placebo“ können mit „Selbstheilung durch positive Erwartungen“ und „Nocebo“ mit „Schädigungen durch Befürchtungen“ gleich gesetzt werden.

Jegliche Pflege und Betreuung durch Angehörige ist so umfassend wie auch persönlich und fast immer liebevoll. Und dies oft 24 Stunden pro Tag und 365 Tage pro Jahr, wiewohl oftmals von mobilen Diensten unterstützt.

Es gilt daher: Je stärker die Demenz eines Pflegebedürftigen voran geschritten ist, desto mehr kommt es auf die Pflegebereitschaft der Angehörigen an.

Was aber für eine Pflege durch Angehörige spricht, ist das Leben der Pflege-bedürftigen in einer für sie seit vielen Jahren bekannten Umgebung mit vertrauten Gesichtern. Die Lebensfreude bleibt dadurch erhalten! Man lebt einfach gerne! Ein Placeboeffekt kann somit die Lebensspanne beträchtlich verlängern.

Gänzlich anderes verhält es sich in den Pflegeheimen. Der Tagesablauf für die Insassen eines Pflegeheimes muss schon wegen des Personalmangels streng reglementiert werden, wodurch eine spontane individuelle Betreuung kaum möglich ist.

Wie aber ist ein solcher Tagesablauf gestaltet? Zur festgesetzten Zeit beginnt der Tag. Pflegebedürftige, die noch nicht ans Bett gefesselt sind, erhalten eine Katzenwäsche und werden mit den gleichen Kleidungstücken „kostümiert“, die ihnen oftmals gar nicht gehören. Per Rollstuhl oder auch Rollator geht es dann zum Frühstücksraum. Dabei ist genau festgelegt, welche Pflegekraft mit welcher Ausbildung welche Arbeiten verrichten muss bzw. darf. Wer ist beispielsweise zum Einsetzen der Zahnprothese befugt?

Dies gilt vor allem bei der Einnahme der Hauptmahlzeit. So ist genau festgelegt, ab wann und wie ein Pflegebedürftiger „gefüttert“ werden muss. Schon wegen des Personalmangels ist aber eine individuelle Betreuung bei der Einnahme von Speisen kaum möglich. Es wird auch nicht darauf geachtet, ob die dritten Zähne überhaupt eingesetzt wurden. Dadurch besteht die große Gefahr, dass die Pflegebedürftigen dehydrieren oder auch nicht mehr ausreichend ernährt werden, da die Speisen keinen Lustgewinn mehr bieten.  

Nach der Einnahme der Hauptmahlzeit – so meine Beobachtungen in zwei Pflegeheimen – werden die Pflegebedürftigen vor den Fernseher bzw. die Fernsehwall gekarrt. Von einer doch so notwendigen täglichen Bewegungstherapie ist aber wenig zu sehen. Der Grund hierfür ist wiederum zum Teil der Personalmangel. 

Bei der Angehörigenpflege beträgt das Pflegeverhältnis 1:1. Auf einen Pflegebedürftigen kommt dann eine Pflegekraft, die in der Regel eine Angehörige ist.

Wenn man aber die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Österreich berücksichtigt, dann müssten sich in den Pflegeheimen des Landes drei Pflegekräfte (exakt 2,5 Pflegekräfte) um einen Pflegebedürftigen kümmern, um eine Gleichheit der Pflegeintensität mit der Angehörigenpflege herzustellen. 

Der Personalstand in den Pflegeheimen wird rechtlich durch die Mindestpflegepersonalschlüsseln geregelt. Wenn also das Pflegeverhältnis 1:1 lautet, dann bedeutet dies in Wirklichkeit, dass auf drei Pflegefälle nur eine Pflegekraft kommt. 

Personalmangel in den Pflegeheimen sowie ein Herausgerissensein der Pflegebedürftigen aus ihrer vertrauten Umgebung und Beschäftigung führen dann dazu, dass jeglicher Lebenswille erlischt und man nur mehr sterben will. Und hier greift dann der mächtige „Nocebo“ ein, wodurch dann das Ableben – oftmals durch Verweigerung der Nahrung und Trinken – rasant beschleunigt wird.

Nicht irgendein persönliches Versagen der Pflegekräfte, sondern das unpersönliche Reglement in den Pflegeheimen sowie der Personalmangel lassen die unseligen Worte „Zuerst ins Bett und danach in den Tod gepflegt“ zur traurigen Wahrheit werden.

Dem Sterbebuch in der Kapelle eines Wiener Pflegeheimes ist zu entnehmen, dass die durchschnittliche „Überlebensrate“ bei ungefähr einem Jahr liegt. Mit anderen Worten: nach einem Jahr ist bereits die Hälfte der Insassen verschieden.

Diese kurze Aufenthaltsdauer wie auch die große Fluktuation bei den Pflegekräften unterbinden zudem jegliche emotionale Bindung an die Pflegebedürftigen, derer vor allem an Demenz Erkrankte so sehr bedürfen.  

Zu Hause wären aber den Pflegebedürftigen noch viel mehr Lebensjahre beschieden gewesen. Dazu bedarf es aber bestimmter gesetzlicher Schritte, die von der öffentlichen Hand zu setzen wären.  

Abschnitt 7: Eine eigene Angehörigen-Pflegeversicherung

Die 5-Sterne-für-Österreich fordern daher – zusätzlich zum Pflegegeld für die Pflegefälle – die Auszahlung eines zusätzlichen monatlichen Betrages für pflegende Familienangehörige in der Höhe der jeweiligen Pflegestufe. Das zusätzliche Pflegegeld sollte ab Pflegestufe vier(!) des zu betreuenden Pflegefalles ausgezahlt werden. 

Wenn aber pflegende Angehörige dieses zusätzliche Pflegegeld beziehen wollen, dann müssen sie sich Schulungen zur Altenpflege und Betreuung unterziehen.

Die Finanzierung einer solchen zweckgebundenen, staatlichen Pflegeversicherung soll durch das Einheben von jeweils einem zusätzlichen Prozent der Beitragssätze zur Sozialversicherung für Dienstgeber und Dienstnehmer sichergestellt werden. Eine solche Finanzierung über die Beitragssätze zur Sozialversicherung würde aber eine grundsätzliche Reform voraussetzen, sodass es dadurch zu keiner zusätzlichen Belastung für Dienstnehmer und Dienstgeber käme, sondern vielmehr zur Entlastung unterer Lohn- und Gehaltsempfänger sowie von KMUs.

Derzeit bestehen für Dienstnehmer wie auch für Dienstgeber weitgehend einheitliche Beitragssätze. Vorgeschlagen werden aber gestaffelte Beitragssätze zur Sozialversicherung sowie ein Wegfall der Höchstbeitragsgrundlage:

  • 12 bis 22 Prozent für die Dienstnehmer gestaffelt nach der Höhe ihrer Gehälter bzw. Löhne.
  • 15 bis 25 Prozent für die Dienstgeber gestaffelt nach der Größe der Unternehmen.

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