Angehörigenpflege in Österreich – meistens aufopferungsreich, oft auch unbedankt und vielfach hineingeschlittert

Zum ersten Problemkreis: Der unbezahlte Pflegealltag

Täglich kümmern sich hunderttausende Frauen und Männer, wenngleich Letztere ungleich seltener, um ihre pflegebedürftigen Liebsten (Eltern, Partner und Kinder).

Im Jahr 2022 wurden fast 470.000 Pflegegeldbezieher gezählt. Das monatliche Pflegegeld reicht von € 175,– in Pflegestufe 1 bis zu € 1.879,50 in Pflegestufe 7. Über das zeitliche Ausmaß der in den einzelnen Pflegestufen für Pflege und Betreuung erforderlichen Stunden kann der hierbei präsentierten Tabelle entnommen werden. Pflegende Angehörige ihrerseits können aber auch überprüfen, ob die von ihnen für die Pflege aufzuwendenden Stunden mit der Höhe des monatlichen Pflegegeldes übereinstimmen.     

Dank ihrer aufopferungsreichen und vielfach nicht bedankten Hilfe können pflegebedürftige Menschen ein weitgehend selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden verbringen.

Pflegende Angehörige erbringen somit unentgeltlich eine Leistung, die von der Gesellschaft mehr oder weniger stillschweigend erwartet wird, in ihrer Bedeutung aber weder angemessen gewürdigt noch finanziell abgegolten wird.

Bund, Bundesländer und Gemeinden ersparen sich daher jährlich hunderte Millionen Euro, die sie ansonsten in Pflegeheimen sowie in anderen für die Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen wichtigen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen „versenken“ müssten.

In einer Diplomarbeit an der Wirtschaftsuniversität Wien aus dem Jahr 2009 wurde berechnet,…

  • dass bei einer häuslichen Pflege jährlich Kosten in der Höhe zwischen € 10.000,– und € 11.000,– anfallen und
  • bei einer stationären Betreuung, d. h. in einem Pflegeheim, hingegen zwischen € 25.000,– und  € 43.000,–.

Diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2009. Inzwischen – 2023 – stellt die Gemeinde Wien für einen Platz in einem Pflegeheim bereits stattliche € 5.500,– in Rechnung. Wohlgemerkt nur für einen Monat! Jahreskosten demzufolge: € 66.000,–

Die 5-Sterne-für-Österreich fordern daher mit Nachdruck – zusätzlich zum Pflegegeld für die Pflegefälle – die Auszahlung eines zusätzlichen monatlichen Betrages für pflegende Familienangehörige in der Höhe der jeweiligen Pflegestufe. Das zusätzliche Pflegegeld sollte ab Pflegestufe 3 des zu betreuenden Pflegefalles ausgezahlt werden.

Bei einer Überstellung eines Pflegebedürftigen in ein Pflegeheim würde dann dieses zusätzliche Pflegegeld an das jeweilige Pflegeheim fließen.

Die Finanzierung einer solchen zweckgebundenen, staatlichen Pflegeversicherung soll durch die Einhebung von jeweils einem zusätzlichen Prozent der Beitragssätze zur Sozialversicherung für Dienstgeber und Dienstnehmer sichergestellt werden. Dies entspräche dann einem jährlichen Aufkommen von ungefähr 2,8 Milliarden Euro.

Im Rahmen einer Einführung neuer Beitragssätze für eine Pflegeversicherung sollte es auch zu einer kompletten Neugestaltung der Beitragssätze für die Sozialversicherung kommen, die dann in der Folge zu einer Entlastung unterer und mittlerer Einkommen sowie von KMUs (kleinerer und mittlerer Unternehmen) führe. Und zwar durch ein Staffeln der Beitragssätze von 12% bis 22% für Dienstnehmer sowie von 15% bis 25% für Dienstgeber als Ersatz der bisherigen weitgehend einheitlichen Beitragssätze.

Zweiter Problemkreis: Pflegerealitäten in Österreich

Um welche Größenordnung handelt es sich hierbei? Zwischen Alten- und Behindertenpflege junger Menschen wird in Österreich nicht unterschieden.

In der so umfangreichen wie  auch aufschlussreichen im  Jahr 2018 publizierten empirischen Studie des Sozialministeriums über die Pflege durch Angehörige wurde geschätzt, dass ungefähr 800.000 Personen (durchschnittlich zwei bis drei Personen) in der Pflege – zu Hause und in Pflegeheimen – tätig sind.

In der stationären Langzeitpflege (in Alters- und Pflegeheimen) werden ungefähr 60.000 Pflegefälle betreut. Hinzu kommen noch die ungefähr 400.000 zu Hause gepflegten und betreuten Pflegegeldbezieher, sodass mit ungefähr 1,3 Millionen Personen zu rechnen ist, die in den Pflegebereich eingebunden sind.

In der bereits erwähnten Studie des Sozialministeriums wurde auch eine Tabelle mit der Aufteilung der Pflegefälle in zu Hause und in Pflegeheimen – nach den einzelnen Pflegestufen unterteilt –  präsentiert.

87 Prozent aller Pflegegeldbezieher werden zu Hause gepflegt und betreut. Dieser prozentuelle Anteil verringert sich von Pflegestufe zu Pflegestufe: von 99 Prozent in Pflegestufe 1 auf 68 Prozent in Pflegestufe 7.

Ab Pflegestufe 4 in Wien und 3 in einigen anderen Bundesländern ist eine Überstellung und in der Folge eine kostenlose Betreuung in einem Pflegeheim möglich. Aber dieses Angebot wird nur von 20 Prozent der Pflegegeldbezieher dieser Pflegestufen in Anspruch genommen.

Diese zögerliche Annahme dieses Angebotes ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass niemand gerne seine Liebsten in ein Pflegeheim abschiebt. Und des Weiteren bilden Pflegegeld und Pension des Pflegebedürftigen wohlfeile zusätzliche Einkommensquellen – auf die man nicht verzichten möchte.

Die Pflegebedürftigen selbst sträuben sich auch gegen eine Abschiebung in ein Pflegeheim, wohl ahnend, was ihnen da blüht.  

Es ist wahrlich keine Übertreibung folgende Aussage zu treffen: In den Pflegeheimen unseres Landes werden die Pflegebedürftigen zunächst „ins Bett“ und danach „in den Tod“ gepflegt.

Der durchschnittliche Aufenthalt eines Pflegebedürftigen in einem Pflegeheim liegt bei ungefähr zwei Jahren. Man geht daher in ein Pflegeheim, um zu sterben. Das ist eine traurige Tatsache!

In unseren Pflegeheimen gibt es keine „aktivierende Pflege und umfassende Betreuung“ bzw. viel zu wenig davon. Die 5-Sterne-für-Österreich fordern daher eine Erhöhung des Personalschlüssels in den Pflegheimen, sodass eine menschenwürdige und qualifizierte medizinische Betreuung möglich ist.

D.h. mehr medizinisch ausgebildetes und qualifiziertes Pflegepersonal! Eigentlich einfach nur mehr Pflegekräfte mit ein bisschen mehr Zeit und Empathie. Beispielsweise, dass nicht nur ein Glas Wasser hingestellt, sondern auch beim Trinken geholfen wird.

Die betriebswirtschaftliche Gewinn-Rechnung der Pflegeheimbetreiber ist ganz einfach  Je niedriger der Personalschlüssel in den jeweiligen Bundesländern, desto höher die Rendite für die privaten Betreiber bzw. desto geringer die Zuschüsse durch die öffentliche Hand.

Dritter Problemkreis: Demenz, die Geisel des 21. Jahrhunderts

Wie bereits erwähnt haben 2022 im Jahresdurchschnitt 470.000 Personen ein Pflegegeld bezogen, da sie die täglichen Aktivitäten nicht mehr alleine ausüben können und daher täglich mehr als zwei Stunden Hilfe benötigen.

Davon wurden laut fachärztlichem Gutachten etwas über 20 Prozent (ungefähr 100.000 Personen) als dement eingestuft. Die Dunkelziffer ist aber bedeutend höher.

Viele an Demenz Erkrankte scheuen den Weg zum Facharzt, da eine diesbezügliche fachärztliche Diagnose für die Einstufung des Pflegegrades nicht unbedingt erforderlich ist. Man will ja nicht als „dumm“ gelten. Vor allem in den ersten Phasen einer Demenz-Erkrankung überspielt man diese. Aufrechterhalten der Fassade um jeden Preis! Was Gebildeten besser gelingt!

Der Anteil an Demenzkranker steigt von Pflegestufe zu Pflegestufe: von vier Prozent in Pflegestufe1 bis auf 65 Prozent (also Zweidrittel) in Pflegestufe 7. 

Die Demenz ist vor allem in Ländern mit einer westlichen Lebensweise und Konsumgesellschaft im Vormarsch.  

Im Jahr 2.000 wurden in Europa 7,1 Millionen Demenzkranke gezählt. Im Jahr 2050 werden es ungefähr drei Mal so viele sein.

Ähnliche Ergebnisse wurden auch für Österreich erhoben: Wurden noch im Jahr 2000 ungefähr 90.000 Demenz-Kranke gezählt, so werden es im Jahr 2050 ungefähr über 260.000 sein. Also: auch fast drei Mal so viele!

Für Österreich wurde ein Verhältnis Alzheimer- zur  Vaskulären-Demenz von vier zu eins erhoben, bei einer überdurchschnittlichen Steigerung der Alzheimer Erkrankungen auch noch.

Vierter Problemkreis: Die Leiden pflegender Angehöriger von Demenz-Kranken

Angehörige, die die an Demenz erkrankten Eltern oder Partner pflegen und betreuen (müssen), verzweifeln oft an der Aussichtslosigkeit ihrer Situation, in die sie mehr oder weniger freiwillig hineingeschlittert sind.

Hinzu kommen ein absolutes Ohnmachtsgefühl und die Angst vor der Zukunft. Wie wird es weitergehen? Was bringt bereits der nächste Tag? Man fühlt sich so alleine gelassen.

Alternative Angebote wie Tagesheime, Urlaubsvertretungen oder Selbsthilfegruppen werden zu selten angeboten bzw. ihre Inanspruchnahme ist oft zu teuer.

Von der öffentlichen Hand ist aber wenig an Unterstützung zu erfahren. Dies beginnt bereits bei der Einstufung des Pflegegrades. Für seine Einstufung wird der Alltag eines Pflegefalles in einzelne Teilschritte zerlegt. Welche alltäglichen Tätigkeiten kann der prospektive Pflegefall nicht mehr alleine bewältigen? Danach erfolgt dann die Festlegung der Pflegestufe.

Der Pflegealltag in seiner Gesamtheit mit den stetigen Belastungen für die pflegenden Angehörigen – oftmals über 24 Stunden hinweg – wird hierbei völlig ausgeklammert.

Immer wieder die gleichen stereotypen Fragen, ein endloses Suchen von verlegten Gegenständen, ständige Beaufsichtigung, immer wieder verschiedene Termine bei Ärzten und anderswo zu organisieren, spezielle Zubereitung und Einkauf von Nahrungsmitteln, ständiger Wechsel durchnässter und mit Kot verunreinigter Kleidung und Windeln sowie Säubern der Sanitärräume, wenn wieder einmal alles danebenging.

Und dem nicht genug: Demenzen führen zu Wahnvorstellungen, die sich in grundlosen Beschuldigungen und aggressivem Verhalten äußern, wodurch es zu schweren emotionalen Belastungen bei den pflegenden Angehörigen kommt. Es verwundert daher nicht, wenn die pflegenden Angehörigen selbst erkranken – psychisch wie auch somatisch (körperlich).

Damit sind aber die zusätzlichen finanziellen Belastungen, die auf pflegende Angehörige zukommen können, noch gar nicht angesprochen.

Mehr über die Pflegesituation in Österreich – vor allem über die Alzheimer Demenz – ist einer ausführlichen Broschüre, die als pdf-File am Schluss des gleichnamigen Blogbeitrages auf der 5-Sterne-für-Österreich-Website angefügt wurde, zu entnehmen.

Die Broschüre kann auch gegen eine kleine Spende auf postalischem Wege zugesandt werden.

Fünfter Problemkreis: Was können wir, was müssen wir vielmehr dagegen tun?

Neben den beiden bereits vorgeschlagenen Maßnahmen der 5-Sterne-für-Österreich, zusätzliches Pflegegeld für pflegende Angehörige und Erhöhung des Personalschlüssels in Pflegeheimen, ist auch an die Erstellung einer eigenen Website in Form einer Datenbank „Angehörigenpflege der 5-Sterne-für-Österreich“ gedacht.

Eine solche Datenbank soll in ihrer Endphase sowohl Informationen und Hilfen anbieten als auch elektronischer Ansprechpartner für die Sorgen, Ängste und Wünsche der pflegenden Angehörigen wie auch der zu Pflegenden jeglichen Alters sein. Auch die Probleme behinderter Menschen und deren spezielle Pflegesituation soll auf dieser Website besprochen werden.

Die geplante Datenbank besteht aus zwei Teilen:

  1. Der Informationsteil konzentriert sich auf die laufende Berichterstattung über die Pflegesituation in Österreich und anderswo in Europa ein. Zusätzlich sollen interessante Beiträge in der Demenzforschung, rechtliche Fragen bei der Altenpflege, Sterbebegleitung, die Situation in den Pflegeheimen und Probleme bei der mobilen Pflege sowie 24h-Betreuung präsentiert werden.
  2. Der Serviceanteil bietet laufend aktualisierte Informationen und Links zu öffentlichen Stellen in Bund. Länder, Gemeinden und Selbsthilfegruppen. Des Weiteren gibt es auch konkrete Hilfestellungen: Selbstausfüller für pflegende Angehörige zur Bestimmung des Grades ihrer Belastung, Erhebungsbogen zur Einstufung der Demenz sowie zur Bestimmung der Pflegestufe. Des Weiteren sollen die Adressen und Links jener Pflegeheime, mobiler Pflegedienste und 24h-Betreuungen präsentiert werden, denen von den pflegenden Angehörigen möglichst viele 5 Sterne verliehen wurden.

Die geplante Datenbank soll aber kein Ein-Weg-Medium sein. Auch Ihre konkrete Mitarbeit als pflegender Angehöriger, Pflegegeldbezieher oder auch Pflegekraft ist gefordert. Abseits stehen gilt nicht!.

Die Teilnahme kann in vierfacher Weise erfolgen:

  1. Durch eine Mitgliedschaft des noch zu gründenden gemeinnützigen Vereines 5 Sterne für Österreich zur Angehörigenpflege können Sie seine Politik mitbestimmen und seine politische und inhaltliche Richtung steuern.
  2. Durch Ihre Teilnahme an der Facebook-Gruppe zur 5 Sterne für Österreich Angehörigenpflege können Sie dann tagesaktuell Ihre Probleme in die Gruppe einbringen und mit den Gruppenmitgliedern kommunizieren.
  3. Für Ihre ganz persönlichen Probleme und Anliegen steht dann auch ein eigener Kummerkasten zur Verfügung.
  4. Das schlussendliche Ziel ist aber die Sammlung pflegender Angehöriger, Pflegegeldbezieher und vor allem der vielen Pflegekräfte (Wir sitzen doch alle im gleichen Boot), um die mehr als berechtigten Anliegen und Forderungen dieser drei Gruppen auch politisch Nachdruck zu verleihen.

Wenn Sie Interesse an einer Mitarbeit haben oder einfach nur informiert werden wollen, dann schreiben Sie uns ein E-Mail: fuenf-sterne-oesterreich@hotmail.com. Wir würden uns freuen!

Weitere interessante Ergebnisse sind der Broschüre zu entnehmen. die hier als pdf-File beigefügt wurde. Bitte, klicken Sie an!

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