Videoblog: Reform der österreichischen Sozialversicherung

 In diesem Videoblog beschäftige ich mich mit Fragen zur Sozialversicherung wie ….

1. Brauchen wir überhaupt einen Unfallversicherungsträger wie die AUVA?

2. Wie viele Sozialversicherungsträger verträgt unser Land?

3. Sonderbeispiel Bundesländerkrankenkassen: Mach aus neun zehn!

4. Pauschalierte oder gestaffelte Beitragssätze bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge?

5. Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage bei der Berechnung der Sozialversicherung oder überhaupt deren Wegfall

6. Einführung einer Maschinensteuer zur Entlastung des Faktors Arbeit

 

1. Brauchen wir überhaupt einen Unfallversicherungsträger wie die AUVA?

Was sind die Facts dazu?

• Bisher zahlten die Arbeitgeber 1,3 % der Bruttolohnsumme für jeden ihrer Beschäftigten. Dies klingt eigentlich nicht nach viel. Für die einzelnen Betriebe ist es auch, selbst für die größeren, keine gewaltige Summe. Insgesamt und österreichweit aber schon: 1,37 Milliarden € jährlich.

Und eine Reduktion auf 0,8 % würde zu einer Verringerung der Einnahmen um 500 Millionen € führen, die es – wie im Regierungsprogramm nachzulesen war – bereits vor Monaten festgelegt wurde. Die Aufregung darüber hätte eigentlich bereits früher gestartet werden können, wenn man nur das Regierungsprogramm gelesen hätte.

         Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA)                                   

 

• Inzwischen sind bereits 60 % aller Unfälle Freizeit- und keine Arbeitsunfälle. Die Zahl der Arbeitsunfälle hat sich in den letzten zehn Jahren fast halbiert. Die AUVA verrechnet aber für die Behandlung von Freizeitunfällen den Krankenkassen keine leistungsgerechten Honorare – ist eine Querfinanzierung eben.

Es ist also offensichtlich, dass die AUVA Überkapazitäten hat.

Aber warum sollte die AUVA für ihre Leistungen in ihren Krankenhäusern und REHAB – Anstalten nicht „marktübliche“ Preise verrechnen dürfen.

Denn langfristig gesehen käme dann eine erstklassige medizinische Ausstattung auch den Patienten mit Arbeitsunfällen wieder zugute.

Womit wir wieder bei der 1,3 % – Finanzierung durch die Unternehmen wären.

                AUVA Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler

• Aber die geplante Reduktion der Beitragssätze für die Arbeitgeber ist ein Geschenk der schwarz/blauen Regierung an die Großindustrie, da die Industriellen-Vereinigung den Vorschlag einer Reduktion bereits 2013 vorgebracht hatte. Die mittleren und kleinen Unternehmen haben davon sehr wenig bis nichts.

 

2. Wie viele Sozialversicherungsträger verträgt unser Land?

Die Zahl der Sozialversicherungsträger soll schrumpfen.

                   Hauptverband der österreichischen                                                 Sozialversicherungsträger  

Die Forderung der 5 – Sterne für Österreich lautet: Zusammenlegen der 21 Sozialversicherungsträger zu jeweils einem Pensions- und einem Krankenversicherungsträger – unter Beibehalten der AUVA.

Und wir plädieren auch für die Auflösung aller 21 Sozialversicherungsanst alten in ihrer bisherigen Rechtsform – ohne Wenn und Aber.

Und Dr. Hannes Androsch brachte es auf den Punkt: „Das Haupthindernis für eine sinnvolle Rodung dieses historisch erklärlichen, aber längst nicht mehr entschuldbaren Wildwuchses sind Funktionärsinteressen. Selbstverwaltung bedeutet auf diesem Sektor heute Funktionsselbsterhaltung“. (Hannes  Androsch, Josef Moser: Einspruch Der Zustand der Republik und wie sie noch zu retten ist, edition a, 2016)

Auch andere Modelle wie beispielsweise jenes der London School of Economics (LSE), das einen eigenen bundesweiten Träger für die Unfall- und die Pensionsversicherung sowie einen für die Krankenversicherungsträger für alle unselbständig Beschäftigten und einen für die Selbständigen (gewerbliche Sozialversicherung und die der Bauern) vorsah, sind natürlich diskussionswürdig.

Es gibt zudem noch eine Vielzahl weiterer Modelle, die an dieser Stelle nicht besprochen werden können.

Ein Vorschlag aber – nämlich jener von der Sozialdemokratie – ist es doch wert, diesen speziell hervorzuheben. Das von den Sozialdemokraten favorisierte Modell verschließt sich zwar nicht einer grundlegenden Reform, plädiert aber für ein Beibehalten der derzeitigen Struktur. D.h. 22 Sozialversicherungsträger.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat diesen Vorschlag als den „unlogischsten Vorschlag“ abgetan. Aber warum denn nur?

Ich kann eine sehr einleuchtende Begründung dafür anbieten, warum der Bundeskanzler gerade diesem Vorschlag eine Abfuhr erteilte: Die österreichischen Sozialversicherungen, wenn man von jenen für die Bauern und Selbstständigen absieht, sind eine reine Domäne der Sozialdemokratie – bei der Auswahl der Vorstände sowie der Beiräte und bei der Aufnahme von Beschäftigten – inzwischen werkt dort bereits die dritte Generation in Folge.

Warum denn wohl wurde die jetzige Sozialministerin Hartinger – Klein, als FPÖ – nahe punziert, als Generaldirektorin der AUVA abgelehnt. Sicherlich nicht wegen ihres Geschlechts oder ihrer „mangelnden“ Qualifikationen.

Ich habe zwar  für diese Person eine Lanze gebrochen, wiewohl ich sie überhaupt nicht mag.

Denn ihre Verteidigungsrede im Parlament bezüglich der Aufhebung des Rauchverbotes in der Gastronomie mit der mehr als dämlichen Begründung, dass Gastwirte den Rauchern lediglich ein Gastrecht bei der Ausübung ihrer kleinen Schwäche gewähren, war wirklich zum Fremdschämen.

Eines ist sicher! Die Betroffenen in den Sozialversicherungen werden mit Zähnen und Klauen ihre Sinekuren (d.h. arbeitslose Einkommen) verteidigen.

Zu fordern ist daher: Ausschluss des parteipolitischen Einflusses bei der Postenbesetzung. Ein frommer Wunsch. Gewiss!

 

3. Sonderbeispiel Bundesländerkrankenkassen: Mach aus neun zehn!

Ziel der geplanten Reformen ist aber letztlich eine nachhaltige Einsparung der Personalkosten.

Ein so winziges Land wie Österreich hat neun Bundesländerkrankenkassen. Dazu kommen noch jene für die Bauern, die Selbstständigen, Beamten, Eisenbahner und Notare hinzu. Eine ganz schöne Ansammlung.

Und überall gibt es parteipolitisch handverlesene Beschäftigte mit Betriebspensionen bis zum Eintrittszeitpunkt 1996 und vor allem Vorstände mit bis zu 300.000 € Brutto – Jahreseinkommen und mehr.

Betrachten wir nunmehr nur die neun Bundesländer – Gebietskrankenkassen unseres Landes. Jede dieser neun Gebietskrankenkassen hat ihren eigenen Headquarter im jeweiligen Bundesland, baulich hervorgehoben, ihre eigenen parteipolitisch sorgfältig ausgewählten Vorstände und Beiräte sowie ihre eigenen Beschäftigten mit einer Zusatzpension bis zum Eintrittsjahr 1996.

                  Wiener Gebietskrankenkasse (WGK)

Im Jahr 2016 betrugen die Personalkosten für die neun Gebietskrankenkassen 710 Millionen €. Davon mussten 17 % aller Kosten für die Zusatzpensionen aufgewandt werden. Und dies geht vermutlich so – mit abnehmender Tendenz – bis zum Jahr 2040.

Da insgesamt 55 % aller Beschäftigten im Verwaltungsbereich tätig sind, betragen somit – grob geschätzt – bei den neun Gebietskrankenkassen die reinen Verwaltungskosten – und damit das theoretische Einsparpotenzial – 391 Millionen € jährlich.

Aber zu einer solchen Einsparung wird es nicht kommen, außer man wartet auf eine beschäftigungsbezogene demografische Ausdünnung im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Es wird aber vielmehr so werden, dass über die bisherigen neun Gebietskrankenkassen eine zehnte Kassa, die Österreichische Krankenkassa (ÖKK) oder auch eine GröKKaZ (Größte Krankenkassa aller Zeiten) darüber gestülpt wird – wiederum mit eigenen Vorständen sowie Aufsichtsräten und zusätzlichen Beschäftigten – diesmal aber mit der richtigen parteipolitischen Couleur – und natürlich zusätzlichen neuen Kosten.

Danke Bundesregierung!

Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Aber vorläufig gilt! Ein bloßer Etikettenschwindel!

Wie beispielsweise bei der geplanten Einführung der Direktdemokratie in Österreich, die irgendwann und vor allem irgendwie kommt.

Wie groß aber das Beharrungsvermögen von Institutionen sein kann, zeigt ein Beispiel aus Italien.

Noch in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es in Rom ein Amt mit gar nicht so wenigen unkündbaren und vor allem ortsdefinitiven Beamten, das mit der Abwicklung und Auszahlung von Witwen- und Waisenrenten der ehemaligen Kämpfer in den italienischen Unabhängigkeitskriegen ungefähr 100 Jahre vorher betraut war.

 

4. Pauschalierte oder gestaffelte Beitragssätze bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge?

Eine grundlegende Reform der österreichischen Sozialversicherungsträger – nicht nur in ihrer Struktur, sondern auch bei der Finanzierung – bildet das wichtigste Ziel jeglicher politischer Agenda. Und dabei muss die Finanzierung, d.h. die Art und Weise der Einhebung der Sozialversicherungsbeiträge, in den Mittelpunkt der Überlegungen gerückt werden.

Dies gilt nicht nur für die Krankenversicherung, sondern vor allem für die Sicherung der Pensionen.

                 Pensionsversicherungsanstalt (PVA)

 

Die 5 Sterne für Österreich lassen sich hierbei von der Idee einer sozialen Gerechtigkeit für die Arbeitnehmer und einer Entlastung für kleinere und mittlere Unternehmen leiten.
Derzeit werden – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – von der Bruttolohnsumme eines jeden Dienstnehmers ab einer bestimmten Lohngrenze bis hin zur aktuellen Obergrenze von derzeit € 5.130,– monatlich 10,25 % „ für die Pensionsversicherung, 3,87 % für die Krankenversicherung, 3 % für die Arbeitslosenversicherung usw. – also insgesamt 17,62 % eingehoben.

Analog dazu müssen die Dienstgeber 22,5 % (inkl. betriebliche Vorsorgekasse) pro Dienstnehmer berappen.

Die 5 Sterne für Österreich – Partei schlägt eine Staffelung der Beitragssätze für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge von 10 % bis 22 % vor, abgestuft nach der Höhe der jeweiligen monatlichen Löhne und Gehälter der Dienstnehmer. Analog dazu wären die Beitragssätze für die Dienstgeber zu staffeln.

 

5. Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage bei der Berechnung der Sozialversicherung oder überhaupt deren Wegfall

Des Weiteren verlangen wir die Anhebung der Grenze für die Höchstbeitragsgrundlage von derzeit € 5.130,– (Stand 1. Jänner 2018) auf € 15.000,– monatlich.

Erst Beträge über diese neue Höchstgrenze von € 15.000 sind dann sozialversicherungsfrei.

Denkbar ist auch, dass es bei der Sozialversicherung wie bei der Lohnsteuer auch überhaupt keine Obergrenze mehr gibt.

 

6. Einführung einer Maschinensteuer zur Entlastung des Faktors Arbeit

Die derzeitige Finanzierung unseres Sozialsystems hängt zu stark am Faktor Arbeit. Eine Umorientierung auf die Produktivität eines Unternehmens wäre anzudenken. Es käme dadurch zu einer Verschiebung der Belastung von den arbeits- zu den kapitalintensiven Branchen – und dadurch zu einer Entlastung des Faktors Arbeit.

Die Berechnung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sollten demnach nicht mehr – wie bisher – über die Brutto-Lohnsumme der Dienstnehmer berechnet werden, sondern über den Cash-Flow.

Die 5 – Sterne für Österreich plädieren für die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe (Maschinensteuer), bei der die Gewinne, Zinsen, Mieten sowie die Abschreibungen einbezogen werden. Und zwar sollte in einem Bundesland ein Probegalopp gestartet werden, um die Stärken und Schwächen dieser neuen Abgabemodalität besser abschätzen zu können.

In der Sozialdemokratie wurden Diskussionen darüber geführt, die Abschreibungen aus der Berechnungsgrundlage herauszunehmen, weil sich diese Abgabe ansonsten als innovationsfeindlich erweisen könnte, wenn Unternehmen auf Investitionen verzichten, um die Beitragsbasis zu verringern.

Hinzu kommt, dass Unternehmen dazu neigen, ihr Anlagevermögen zu verringern und stattdessen die Anlagen zu leasen, sodass auch aus diesem Grund die Abschreibungen reduziert werden.

Aber wenn die Abschreibungen aus der Berechnung der Beitragsgrundlage herausgenommen werden, dann verbleibt im Wesentlichen nur mehr der Gewinn, der aber gewaltige Möglichkeiten zu seiner Verringerung in sich birgt. Ein kontinuierlicher Finanzierungsstrom wäre aber dann noch weniger gesichert.

 

P.S. Ein Nachtrag vom September 2018:

Ernest Pichlbauer, der anerkannte Gesundheitsexperte unseres Landes, hat mit seinem in der deutschen Wochenzeitschrift „Die Zeit“ erschienenen Artikel über die Reform des Österreichischen  Krankenversicherungssystems bereits im Titel „Viel Wind und wenig Substanz „  die treffende Zusammenfassung gefunden.

Ich zitiere: „ Die neun länderweise organisierten und gemeinsam für 80 % der Bevölkerung zuständigen Gebietskrankenkassen werden zu einer Österreichischen Gesundheitskasse fusioniert. Doch jedes Bundesland behält eine autonome Landesstelle, die weiter mit den regionalen Ärztekammern eigene Honorarkataloge verhandelt und das dafür nötige Budget von der Zentrale bekommen muss.

Das ist keine Fusion, sondern eine Aufblähung von neun auf zehn Kassen.“

Mehr dazu finden Sie im beigelegten Artikel als pdf-File von Pichlbauer! Bitte, klicken Sie an!

Pichlbauer Krankenversicherungsanalyse

 

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